Nach dem Horror von Paris werden wieder die Stimmen laut, die gesicherte Grenzen und Grenzkontrollen fordern. Am besten gleich gestern. Warum nicht wieder einen Zaun an der Landesgrenze errichten, vom Bundesgrenzschutz kontrollieren lassen und knallharte Kontrollen an jeder Grenze einführen. Das sind alles gut gemeinte Forderungen, die aber an der eigentlichen Problematik vorbeizielen.

Der Grenzzaun an der deutsch-österreichischen Grenze

Die deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte im Oktober einen Grenzzaun an der deutsch-österreichischen Grenze. Dieser Zaun wäre in seiner Gesamtheit ca. 800km lang. Die Hoffnung für diesen Vorschlag war, dass die anderen Länder uns es gleichtun würden. Das bedeutet Österreich würde seine Grenzen einzäunen, genauso wie Slowenien und so weiter. Das Resultat wäre Stacheldraht quer durch Europa.((http://www.welt.de/politik/deutschland/article147725643/Polizeigewerkschaft-fordert-deutschen-Grenzzaun.html))

 

Die Frage ist, ob Grenzzäune die Menschen wirklich von der Flucht abhalten würde. Nach den Strapazen, die die meisten Menschen auf sich nehmen um von Nahen Osten nach Europa zu gelangen, wird eine Ansammlung von NATO-Draht oder Zäune für diese Menschen das geringste Hindernis darstellen. Die Menschen werden Möglichkeiten finden, wie sie den Zaun überwinden können. Das sieht man auch an der Bilderstrecke der Tagesschau: hier kriechen die Kinder unter dem Zaun durch, Erwachsene stemmen mit gemeinsamen Kräften den Zaun in die Höhe, während die Grenzpolizei in Ungarn wenige Meter entfernt steht und das Schauspiel beobachtet((https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/grenzzaun-ungarn-117.html)). Angesichts dieser Bilder stellt sich mir wirklich die Frage, was ein zusätzlicher Zaun zwischen den Mitgliedsstaaten ändern würde. Wenn man über den Bau eines Zauns diskutiert, dann wenn überhaupt an den Außengrenzen der EU, die dann durch die Grenzschutzagentur der EU, FRONTEX effektiv gesichert werden müsste.

Kontrollen an den Grenzübergängen

 

Eine weitere Forderung ist, die Grenzkontrollen zwischen den EU-Ländern wieder einzusetzen, ggf. das Schengenabkommen, was uns eine kontrollfreie Reise zwischen den Ländern ermöglicht wieder auszusetzen. Ein Argument der Befürworter der Grenzkontrollen ist die zusätzliche Abschreckung und die mögliche Prävention von Kriminalität das Hauptargument. Durch die Einführung durchgängiger Kontrollen an den Grenzen wäre es einfacher Personen, nach denen gefahndet wird zu entdecken und es würde auch für die organisierte Kriminalität schwieriger, ihre Geschäfte, wie Drogen- oder Waffenschmuggel, grenzübergreifend fortzusetzen. Ob diese Forderung mit dem EU-Vertrag, hier besonders mit dem Artikel 23ff., zu vereinbaren ist, steht noch aus. In diesen Artikeln werden die Ausnahmen, die zeitlich begrenzt sein müssen, definiert unter denen das Schengenabkommen ausgesetzt werden kann. ((https://www.tagesschau.de/inland/sicherheit-anschlaege-101.html))
Selbst wenn Grenzkontrollen eingeführt werden, einen Anschlag wie in Paris werden sie nicht verhindern. Die Leute werden ein bisschen mehr an Sicherheit spüren, den Kleinkriminellen und Schmugglern wird ein Stein in den Weg gelegt, aber ein wirksames Mittel gegen groß angelegte Kriminalität werden diese Stellen nicht sein. Die betroffenen Verbrecher werden dann auf die grüne Grenze ausweichen, die um einiges schwieriger ist zu kontrollieren. Somit ist  die Wiedereinführung der Grenzkontrollen nach den aktuellen Geschehnissen eine verständliche und auch in gewissen Maß sinnvolle Forderung, die ich so auch unterstützen würde, aber das Wundermittel, welches uns gegen solche terroristischen Akte schützt, ist es gewiss nicht.

Finanzierung des IS und Integration

Was für Mittel gibt es dann, um dem IS wirklich zu schaden? Zwei Möglichkeiten wären meiner Meinung nach die vielversprechendsten.

1. Die Finanzierung erschweren

Der IS hat diverse Quellen für seine Finanzierung entdeckt. Quellen, die von Europa nur schwer zu bekämpfen sind, stellen Beuteerfolge und die Steuern des IS dar. Bei der Einnahme der nordirakischen Stadt Mossul fiel unter anderem auch die dortige Zentralbank in die Hände des IS. Erlangte Beute: 500 Milliarden irakische Dinar (ca. 420 Millionen Euro) und Goldreserven in die Hände. Neben diesen Erfolgen verlangt der IS von seinen besetzten Gebieten auch „Steuern“ oder Erpressungen von Geschäftsleuten oder auch Regierungsvertretern.

Geiselnahme, Erpressung, Raub, Schmuggel. Schon ehe sie Mossul unter Kontrolle hatten, brachten ihnen solche Methoden mehrere Millionen im Monat ein. Seither erhebt die Organisation „Steuern“. Von Lastwagen, die im Norden des Irak unterwegs sind, wird pro Fahrt eine Gebühr von 200 Dollar kassiert. Nach Darstellung der Regierung in Bagdad wird von Christen in Mossul eine Sondersteuer mit der Drohung der Kreuzigung eingetrieben.Rudolph Chimelli

Diese Quellen sind meiner Meinung nach kaum zum Versiegen zu bewegen, diese werden ISIS bleiben.

Was wir allerdings ändern könnten ist, dass Druck auf die Golfstaaten ausgeübt werden könnte. Einen öffentlichen Beleg zur Finanzierung durch Saudi-Arabien, Qatar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate gibt es zwar nicht, aber Experten sind sich hier ziemlich einig, dass diese Finanzierung existiert. Die Grundmotivation zu dieser Finanzierung war der Kampf gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.((http://www.dw.com/de/wer-finanziert-isis/a-17718504)) Da Europa auch wirtschaftlich eng mit der arabischen Welt verzahnt ist, sollte es zumindest eine Möglichkeit darstellen, Einfluss auf diese Finanzquelle zu nehmen. Die dritte Finanzierungsquelle sind die Einnahmen aus den nordirakischen Ölfeldern. Ein Teil dieser Ölfelder wird für den Eigengebrauch verwendet, der Rest wird exportiert. Die größten Abnehmer sind das Regime von al-Assad oder auch Gebiete im Grenzgebiet Türkei-Syrien. Diese Quelle wird nun durch Luftschläge der Amerikaner und Franzosen langsam in das Visir genommen, was diese Quelle auch langsam versiegen lassen könnte. Wenn die finanziellen Mittel der Organisation langsam zur Neige gehen, wird es für diese auch schwieriger werden, global zu agieren.

2. Eine bessere Integration der Migranten in den Ländern

Die meisten IS-Kämpfer aus Europa porportional zu der gesamten Einwohnerzahl kommen aus Belgien (40 pro 1 Million Einwohner), Schweden (32) und Dänemark (27). Deutschland liegt mit 8 Kämpfern pro 1 Million Einwohner im Mittelfeld((http://www.rferl.org/contentinfographics/foreign-fighters-syria-iraq-is-isis-isil-infographic/26584940.html)).

Warum radikalisieren sich Europäer und ziehen dann gegen die westliche Welt in den Krieg? Der Grund den man immer wieder lesen kann ist eine gewisse Orientierungslosigkeit. Die Personen haben ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden oder haben das Gefühl wertlos zu sein. Natürlich baut so eine Atmosphäre auch Frust auf, der sich dann nach Außen dringt. Gerade weil sich diese Personen in dem Land, in dem sie aufgewachsen sind, sich nicht zuhause fühlen, entsteht diese „Verlorenheit“. Diese Leute sind dann natürlich ein gefundenes Fressen für die Rattenfänger des IS. Durch die Vermittlung, auf diese Leute einzugehen, sich um diese zu kümmern, umgarnen sie die Hoffnungslosen((https://www.tagesschau.de/inland/interview-is-kaempfer-101.html)). Im Bezug auf die gerade genannten Zahlen müsste man schlussfolgern können, dass die Integrationskonzepte in Belgien, Schweden und Dänemark nicht erfolgversprechend sind.

Was kann man nun dagegen tun? In meinen Augen hilft hier nur ein sehr umfangreiches Angebot an Integration, aber auch ein gewisser Integrationszwang. Wenn ich in ein fremdes Land auswandere, muss ich nicht meine Identität oder meine Kultur aufgeben, aber ich muss mich zumindest mit den Gepflogenheiten der Kultur auseinandersetzen und mich an die gemeinsamen Spielregeln halten. Wenn es eine gemeinsame Wertevorstellung gibt und gemeinsame Regeln, die von jedem beachtet werden, gelingt die Integrationsaufgabe. Somit vermindere ich den Frust bei Immigranten und entziehe den Rattenfängern die willigen Jugendlichen. Ergo, es fehlt das Personal für den heiligen Krieg.

Fazit: Anstatt, dass wir uns mit Diskussionen über Zäune oder Grenzkontrollen aufhalten, sollten wir aktiv an die Wurzeln dieses Problems gehen. Mit diesen Mitteln könnte man es vermutlich dem IS zumindestens erschweren, seine Aktionen global umzusetzen. Jetzt in Aktion zu gehen, liegt in den Händen der Politiker und der Staatengemeinschaft. Es wird Zeit, dass sich was tut…

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Übersetzen
Folge mir auf Twitter
Blogstatistiken
  • 5.884 Besuche
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner